
Annemariann Stehl (32)
Master-Studentin im Fach Baumanagement
Im Moment arbeite ich als Projektingenieurin. Der nächste Schritt wäre die Projektleitung, dann vielleicht eine Fachbereichsleitung oder irgendwann die Selbstständigkeit – es gibt viele Wege, je nach Interesse und Teamgröße.
Wann war für dich klar, dass du in die Baubranche gehen willst?
Schon als Kind haben mich Baustellen, Kräne und große Maschinen fasziniert. Mein Vater wollte eigentlich Architekt werden, ist dann aber in der Medizin gelandet. Zuhause lagen noch seine alten technischen Zeichenkästen mit Zirkeln, Füllfederhaltern und Tusche herum. Damit habe ich als Kind gerne gespielt. Außerdem habe ich ihm oft bei handwerklichen Arbeiten geholfen. Diese Erfahrungen haben mich geprägt.
Und warum hast du dich für den Studiengang Bauingenieurwesen entschieden?
In der Schule war ich in Mathe und Physik nicht besonders gut – gerade deshalb wollte ich mir selbst beweisen, dass ich das schaffen kann. Architektur hätte mich auch interessiert, aber Zeichnen war nicht so mein Ding. Ich wollte etwas Technisches, etwas mit Substanz und Mathe. Also habe ich mich bewusst für Bauingenieurwesen entschieden.
Was hat dich während des Bachelors besonders begeistert?
Ich hatte das Luxusproblem, dass mich fast alles interessiert hat. Ursprünglich wollte ich in die Tragwerksplanung, doch dann habe ich gemerkt, dass mich der Prozess des Bauens selbst mehr fasziniert: Wie wurde etwas gebaut? Warum steht es überhaupt da? Ich wollte dafür sorgen, dass Bauwerke tatsächlich realisiert werden. Dazu gehört die die wirtschaftliche Seite aber auch die baubetriebliche Planung.
Jetzt machst du den Master im Baumanagement. Warum?
Im Bachelor habe ich gemerkt, wie spannend die Themen rund um Bauprozesse, Kosten- und Terminplanung sind. Jetzt beschäftige ich mich im Master mit gestörten Bauabläufen: Was passiert, wenn ein Bauvorhaben vom Plan abweicht? Diese Realität ist viel spannender als ein perfekter Plan, den es sowieso nie gibt.
Welche Praxiserfahrungen haben dich besonders geprägt?
Ich habe vor dem Studium und auch währenddessen auf der Baustelle gearbeitet – als Bauhelferin im Rohbau, im Trockenbau und beim Mauern. Dadurch habe ich Einblick in das Handwerk bekommen, aber auch in die Baustellenorganisation. Solche Erfahrungen sind Gold wert.
Welche Fächer bzw. Kurse hast du im Masterstudium?
Die Inhalte sind total vielfältig. Viele Fächer hatte ich auch schon im Bachelor, zum Beispiel Tragkonstruktion, Tragwerkslehre, Baubetrieb, Immobilienwirtschaft und Verfahrenstechnik. Es gibt aber auch Kurse zu Immobilienrecht und Kartellrecht.
Und was sind die Unterschiede zum Bachelor-Studium?
Im Bachelor ist man nur eine Person von vielen. Im Master ist das anders. Die Gruppen sind kleiner und das Studium läuft viel persönlicher ab. Außerdem werden die Inhalte nicht nur oberflächlich besprochen – wir können uns viel mehr in die Themen reinarbeiten. Und ich habe das Gefühl, wir werden ernster genommen. Für meinen Erfolg bin ich aber auch selbst verantwortlich. Ich muss mich kümmern und dafür sorgen, dass ich alles verstehe. Und wenn ich es eben mal nicht verstehe, muss ich mir Bücher suchen oder dem Dozenten die passenden Fragen stellen.
Wie praxisnah ist dein Masterstudium?
Sehr. Es gibt an meiner Uni viele Projekte – auch gemeinsam mit den Architekturstudierenden. Wir bearbeiten reale Entwürfe, prüfen die Wirtschaftlichkeit, kalkulieren Kosten, planen Abläufe und erstellen Baustelleneinrichtungen. So lernt man viel über die Kommunikation mit anderen und natürlich auch, die Theorie praktisch umzusetzen. Außerdem halten viele externe Dozentinnen und Dozenten aus der Praxis die Lehrveranstaltungen. Sie bringen eine ganz andere Sichtweise auf die Dinge mit und erzählen oft von ihrem Werdegang. Das ist spannend.
Was sind deiner Meinung nach wichtige Fähigkeiten im Baumanagement?
Ganz klar: sorgfältiges und strukturiertes Arbeiten, gutes Selbstmanagement und Durchhaltevermögen. Ich war früher eher chaotisch, habe aber im Studium gelernt, Prioritäten zu setzen. Und man muss den Willen haben, Dinge bis zum Ende durchzuziehen.
Und was muss man für das Studium und den Job unbedingt gut können?
Eigentlich lässt sich alles erlernen – egal, ob Mathe, technisches Verständnis oder räumliches Vorstellungsvermögen. Mit Engagement und Selbstständigkeit kann man alle fachlichen Fähigkeiten mit mehr oder weniger Aufwand erreichen. Studieren heißt ja nicht nur lernen und lesen. Es geht vielmehr darum, sich persönlich und fachlich weiterzuentwickeln. Ich muss meine Schwächen erkennen und sie angehen. Ich selbst habe viel Mathe gelernt und auf einmal war Mechanik viel leichter verständlich und dadurch waren auch die Klausuren besser.
Wie erlebst du das Geschlechterverhältnis in deinem Studium?
Im Bachelor waren es deutlich mehr Männer. Im Master ist es mittlerweile fast ausgeglichen. Ich selbst wollte schon immer in einem sogenannten „Männerberuf“ arbeiten – aus Trotz vielleicht. Ich finde aber nicht, dass es einen Unterschied machen sollte. Es zählt, ob man gut in dem ist, was man tut – unabhängig vom Geschlecht.
Wie sehen deine beruflichen Pläne nach dem Master aus?
Ich arbeite aktuell im Ingenieurbüro im Vertrags- und Nachtragsmanagement. Das möchte ich erst einmal weitermachen und darin gut werden. Ich habe keinen festen Fünfjahresplan – ich gehe meinen Weg, nehme Chancen wahr, wenn sie sich bieten, und entwickle mich weiter. Projektmanagement oder Bauleitung kann ich mir später auch vorstellen.
Welche Rolle spielt deiner Meinung nach Baumanagement für die Zukunft der Branche?
Eine sehr wichtige. Die Bauindustrie steht vor großen Herausforderungen. Das Ziel ist, immer nachhaltiger, schneller und im finanziell festgesetzten Rahmen zu bauen. Dafür braucht es ein gutes Management – von der Planung bis zum Baustellenbetrieb. Baumanagement bringt all diese Elemente zusammen.
Und wie steht es um das Thema Digitalisierung?
Die Idee hinter digitalen Methoden wie BIM ist großartig – eine zentrale Datenquelle, weniger Planungschaos. Aber es hapert oft an der Umsetzung. Vor allem kleinere Unternehmen haben nicht die Kapazitäten. Digitalisierung kann helfen, Prozesse zu beschleunigen und zu verbessern – aber nur, wenn sie richtig gemacht wird.